Untenrum.

Bevor Texter texten, müssen sie erst einmal denken. Gute Texter tun das oft und ausgiebig. So kommt es, dass sie sogar über Dinge nachdenken, die gar nichts mit dem Texten zu tun haben. Etwa Verpackungsdesign. Ich zum Beispiel mache mir immer mal wieder Gedanken über das Verpackungsdesign von Klopapier. Es mag manch einen wundern, aber ich glaube, am Angebot der Toilettenpapierverpackungen lässt sich der Zustand einer ganzen Gesellschaft ablesen. Schreibe ich in Rätseln? Hier kommt Aufklärung.

Vor Jahren las ich einmal auf der Verpackung des Toilettenpapiers „Lady“: „Wir sind stolz, dieses außergewöhnliche Produkt traditioneller Papiermacherkunst für Menschen mit höchsten Ansprüchen geschaffen haben.“ Gleich drei Unterschriften fanden sich unter dem Text: Dr. G. Hänel (Managing Director), C. Plänitz (Sales Director) und Dr. F.-M. Tesky (Research + Development Director). Ich war mir sicher, die drei würden verrückt vor Freude, wenn sie wüssten, dass ich ihr Klopapier kaufe. „Wir stehen Ihnen für Ihre Fragen und Anregungen gerne zur Verfügung“, stand direkt über den Namen. Das gab mir ein unheimliches gutes Gefühl. Angenommen, ich käme mit der Perforierung nicht zurecht oder ich wäre mir unsicher bei der erforderlichen Blattanzahl – ich könnte jederzeit anrufen und Dr. F.-M. Tesky würde vom Mittagstisch aufspringen, um mir die Benutzung des Papiers näherzubringen.

Leider haben auch die Herren Hänel, Plänitz und Tesky scheinbar nie wirklich daran gedacht, dass zwischen dem Bedrucken einer Verpackung und der Benutzung des Inhalts der Kauf liegt. Das ganze Gesäusel hilft nichts, wenn man die Packung nicht transportieren kann. Im März dieses Jahres dachte sich die Werbeagentur JWT etwas ganz Tolles aus: Sie erfand zusammen mit den Designern von Coco Lores eine eigene Tasche – nur für Toilettenpapier. Weil es ja ein bisschen peinlich sei, Klopapier durch die Stadt zu transportieren. Dabei ist es vor allem eines: unpraktisch. Und eine eigene Tasche, die man immer mit sich führen muss, wenn man Toilettenpapier braucht, macht es nur bedingt praktischer.

Dabei könnte alles so einfach sein. Man könnte zum Beispiel eine Verpackung herstellen, die sich tragen lässt. In Wahrheit sind die überdimensionierten Dinger aber nur für eines gedacht: in den Einkaufswagen damit, von dort in die Tiefgarage, Packung in den Kofferraum des Autos, von dort in die Tiefgarage des Wohnhauses und im Aufzug nach oben damit. Hersteller von Toilettenpapier sind im bedingungslosen Kfz-Zeitalter hängen geblieben, dessen Ende in den Städten längst eingeläutet wurde. Anders lässt es sich nicht erklären, dass es beinahe unmöglich ist, die meisten der Toilettenpapierpackungen auf dem Fahrrad zu transportieren. In den Gepäckträger-Korb passen sie oft nicht und an den Lenker lassen sich nur die mit Henkel hängen – und auch das längst nicht alle. Der pinkfarbene Klebestreifen, der bei manchen Herstellern den Henkel ersetzt, reißt oft und gerne ab. Die Marke Hakle (für die das entzückende Täschchen erdacht wurde) verwendet keine Griffe an ihren Verpackungen. Bevor man Taschen drumherum bastelt, würde ich erst einmal mit einem Henkel anfangen.

Manchmal hilft allerdings auch das nicht mehr. Besonders raffiniert sind nämlich Verpackungen mit 10 Rollen Inhalt. Als Frau mit 1,66 cm Größe schleift diese Packung, so ich sie am Griff nehme, am Boden. Sie ist viel zu groß, oder ich bin eben zu klein, wie man’s nimmt. Der Henkel ist also hier für genau den Körperteil, für den der Packungsinhalt gedacht ist. Wer designt so was? Welche Riesen gehen damit testhalber auf und ab? Ist jemandem schon mal der Gedanke gekommen, dass es oft Frauen sind, die die Dinger für ihre Familien kaufen?

Ich kaufe Toilettenpapier längst nicht mehr nach der Qualität, sondern danach, ob ich die Verpackung mit dem Fahrrad halbwegs gut transportieren kann, was das Angebot deutlich einschränkt. Ich bin mir sicher, eine ansprechende Verpackung ohne rosafarbene Hunde, kompakt im Fahrradkorbformat mit einem stabilen Griff, wäre ein Renner. Nennt sie „Bike-Pack“, liebe Hersteller, und überweist mir eine Provision. Ich würde die Sorte dafür auch bis ans Ende aller Tage kaufen. Danke.

 

Titelbild ©97 – istockphoto.de

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