Bewohner oder Anwohnerparken

Die Wendung des Monats: „Der Bewohner-Parkplatz“

Schöner bewohnen.

Als ich neulich gerade die Haustür aufschließen wollte, kam direkt hinter mir ein Auto zum Stehen. Die Fensterscheibe des Fahrzeugs schob sich herunter und ein Kopf erschien im entstandenen Fensterloch. “Ist hier Anwohner?” rief mir eine junge Frau zu. Ich wusste natürlich sofort, was sie meinte, aber in heutigen Zeiten muss man immer korrekt sein. “Nein”, rief ich deshalb zurück. “Hier ist Bewohner!” Die Frau verzog das Gesicht zu einem gekünstelten Lächeln und der Wagen fuhr weiter. Die wundersame Wandlung von Anwohner- zu Bewohnerparkzonen liegt nun schon lange zurück, aber kaum jemand kann sich offenbar an die Umbenennung gewöhnen. Was daran liegen könnte, dass es sich dabei um sprachlichen Unfug handelt.

Nun sind wir aus Gendergründen inzwischen hart im Nehmen, was Wortmurks betrifft. Längst haben wir hingenommen, dass Studenten “Studierende” sind, obwohl das eine einen Status beschreibt und das andere eine aktuell ausgeführte Tätigkeit. Ein Student, der ein Semester lang auf den Malediven am Strand abhängt, ist immer noch ein Student, aber kein Studierender. Aber sei’s drum. Vielleicht müssen wir dankbar sein, dass es nur Bewohner-Parkzonen gibt und keine “Parkzone für Bewohnende”. Oder eine “Parkzone für Bewohner*Innen”, was die Frage aufwerfen könnte, ob es auch “Bewohner*Außen” gibt. Ich gebe zu, ich bin dennoch unzufrieden.

Hintergrund des flächendeckenden Anwohnersterbens ist ein rechtlicher. Das Bundesverwaltungsgericht befand, dass ein Gebiet nicht eben so als Anwohner-Parkzone deklariert werden könne. Ein Anwohner wohne per Definition nah dran an seinem Parkplatz, nicht etwa fünf Straßen entfernt. Damit ließ das Gericht die Menschen mit vielen Fragezeichen, aber immer noch zu wenigen Parkplätzen zurück. In der Folge änderte man kurzerhand ein Gesetz und deklarierte die Anwohner zu “Bewohnern des städtischen Quartiers” (kurz “Bewohner” genannt). Der Schildbürgerspaß kostete den Steuerzahler eine Menge Geld, auch wenn emsige Vorsilbenüberkleber bei den Straßenschildern das Schlimmste zu verhindern wussten.

Doch meine Neigung zum Kopfschütteln bleibt. “Bewohnen” fordert ein obligatorisches Objekt. Man kann nicht einfach so bewohnen, ebensowenig wie man verschütten, fordern oder lieben kann. Man fragt sich in diesen Fällen immer, wen oder was es betreffen mag. Niemand will wissen, woran denn nun ein Anwohner wohnt, denn es ist automatisch alles gemeint, was seine Wohnstatt umgibt. Beim Bewohner ist das anders. Auf einmal rückt das in den Fokus, was denn nun genau bewohnt wird. Dabei ist es natürlich für das Anwohner- (Verzeihung!) Bewohnerparken total egal, ob jemand eine Hütte oder einen Palast bewohnt, solange sich das Zuhause in einem bestimmten Gebiet befindet. “Genau!”, sagt der Gesetzgeber. “Das städtische Quartier eben. Wie es der Gesetzestext sagt.” Aber kann man ein Quartier überhaupt bewohnen? Ein Haus oder eine Wohnung, sicher, das geht. Aber ein ganzes Quartier? Wäre “Einwohner” nicht das bessere Wort? Wie auch immer man darüber denkt – wenn in einem Auto ein Kärtchen steckt, auf dem “Bewohner” steht, fragt man sich unwillkürlich, wo denn wohl der Bewohner dieses Fahrzeugs gerade sein mag. Es bleibt seltsam. Man stelle sich nur eine Nachrichtenmeldung über eine Schlägerei vor, in der es heißt: “Bewohner waren durch den Lärm auf die Auseinandersetzung aufmerksam geworden und hatten die Polizei gerufen”. Sofort würde sich jeder fragen, was die Bewohner bewohnen. Aber vermutlich ist ein Bewohner, der nah genug wohnt, um Lärm zu hören, dann doch noch ein guter alter Anwohner. Im Gegensatz zum geplagten Städter, der sich wieder einmal den Wolf sucht, um einen Abstellplatz für sein Auto zu finden. Er bekommt nun auch per Schild bescheinigt, dass es in einem angemessenen Umkreis zu seiner Wohnung keine Parkplätze gibt. Nie war Ehrlichkeit nutzloser.

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