Der neue kategorische Imperativ.

Eigentlich wollte ich als nächstes etwas ganz anderes schreiben. Etwas „Lösungsorientiertes“. Wer meckert oder durch die Gegend frustet, hat schnell das „Dann mach’s doch besser!“-Fähnchen im Rucksack. Aber dann kam mir etwas zwischen die Finger, was so ungeheuer typisch ist für einen Aspekt, der mich an Werbung 2013 gruselt, dass ich es festhalten muss.

Die Marke Asics, bekannt besonders für Laufschuhe und -equipment, geht derzeit mit einer Kampagne durch die Medien. Ihr Motto: Better your best. Dazu gehört ein TV-Spot, in dem eine junge Frau gegen sich selbst läuft.

Jeder Läufer, gleich welcher Leistungsklasse, kennt Situationen, in denen man sich selbst überwinden muss, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Der Film trifft ins Schwarze. Er ist emotional ansprechend und atmosphärisch, seine filmische Qualität offensichtlich. Asics ist nicht unbedingt berühmt für emotionale Werbung, aber hier denkt man: Das könnte von Nike sein, so cool ist es. Und dann: Better your best. Das ist nicht nur eine Aufforderung, die eigene Bestzeit zu verbessern. Es sagt auch: Werde eine bessere Version deiner selbst. Es ist Zeit, das beste aus dir heraus zu holen, so zu werden, wie du gern sein möchtest. „Better your best“ trifft die Motivation von allen Läufern, die mit dem Laufen starten, um schlanker oder fitter zu werden. Und es berührt die ambitionierten Läufer, die tatsächlich eine Bestzeit vor Augen haben. „Better your best“ ist ein starkes Kampagnenmotto. Auch international – der Slogan lässt sich genauso leicht verstehen wie „Just do it“. Als Agentur und als Unternehmen kann man ihm vertrauen.

Ich habe den Spot im Rahmen der Leichtathletik WM in Moskau oft gesehen. Und gern gesehen. Um so entsetzter war ich, als ich einem weiteren Baustein der Kampagne auf Facebook begegnet bin. Beinahe wäre er nicht mehr als solcher zu erkennen gewesen.

Der Text wirkt wie durch den Google Übersetzer geschoben. Aus „Better your best“ wurde das kastrierte, hölzerne „Steigere deine Bestleistung.“ Als wäre das nicht genug, gab man ihm noch ein „Beginne gleich hier“ mit auf den Weg. Die coole junge Frau aus dem atmosphärischen Spot wurde durch ein entseeltes Foto ersetzt, das wie ein 1-Euro-Bild wirkt. Es hat die Coolness eines Stücks Seife. Von der ursprünglichen Idee des Wettstreits mit sich selbst ist nichts geblieben. Ich weiß zunächst kaum, was mir mehr weh tut – die Sprache, das Bild oder die zertretene Idee. Und dann ist es doch die Wortwahl, die mir besonders aufstößt.

Werbung als Befehl.

In der klassischen Werbung  war der „Call to action“ unter Kreativen einst verpönt. Er galt als der hässliche Schlussteil des Funk- oder TV-Spots. Aber der war ja nun mal schon immer wichtig fürs Verkaufen. Funkspots halten sich heute längst nicht mehr mit einer Geschichte auf, hier geht’s gleich zur Sache, zum Supersamstag, zum Jubiläum im Möbelhaus, zum Rabatt. Der Spot ist der Call to action. Immerhin wird man hier gelegentlich noch gesiezt.

Im Sozialen Netz sind wir aber unter uns, hier wird nach Kräften geduzt. Und weil wir nicht viel Platz haben, kommen wir ebenfalls gleich zur Sache. Werbung hier ist immer ein „Call to action“, denn der Nutzer soll ja klicken. Also wird man aufgefordert. In der deutschen Sprache ist der Imperativ oft besonders hölzern und rüde. Nicht umsonst spricht man von „Befehlsform“. „Steigere deine Bestleistung“ hat die sprachliche Schönheit einer Stromrechnung. Aber das ist es nicht allein. Unternehmen haben sich angewöhnt, im Netz mit uns zu reden, als wären wir Kinder. „Komm da runter!“, „Lass das liegen!“, „Komm jetzt hierher!“ oder eben „Steigere deine Bestleistung!“, „Beginne gleich hier!“, „Gewinne ein iPad!“. Oder in der Kurzform: „Teilen und gewinnen!“.

Imperative gab es in der Werbung schon immer. „Greife lieber zu HB“. Aber nun rufen mir unzählige Unternehmen zu, dass ich etwas tun soll. Ohne Geschichte. Gleich. Jetzt. Sie rücken mir näher auf die Pelle denn je. Sie sind distanzlos und sie versuchen dabei etwas über mich herauszufinden. „Steigere Deine Bestleistung. Beginne gleich hier“ ist nicht elegant, nicht intelligent, nicht cool und es hat nicht den Hauch einer Idee. Sind wir Kreative nicht einmal dafür angetreten, dass wir Dinge verkaufen helfen, in dem wir sie in Ideen verpacken? Stattdessen „Ruf. Mich. An“. Ran an die Wäsche. Ohne Vorspiel.

Dass der Link im gesponserten Facebook-Post von Asics versehentlich zu der Landingpage UK führt, auf der „Better your best“ steht, ist dann nur noch das traurige Ende dessen, was mal eine gute Idee war.

2 Comments

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Gute Werbung seh ich selten aber gern….reply
21. August 2013 at 6:53

…wird es garstig, muß ich eigentlich woanders schreiben? nein, ich denke nicht. Nein garstig wird es wohl nicht werden. Imperativ auch nicht. Aber …ja was aber? Ich finde den solgan „beter your best“ nicht so fein. Nicht so stimmig. Ich mag es gar nicht, wenn ich von der Werbung höre, wie ich was machen soll. Was ich machen soll. Ehrgeiz ist nett. Sich zu verbessern kann auch mal nett sein. Aber ich will mir das nicht erzählen lassen. Nicht von einem Schuhhersteller und nicht von anderen. Wenn ich mich am Ende des Läuferfeldes nicht mehr wohlfühle, dann, und zwar genau dann, dann trainiere ich und bin vielleicht irgendwann weiter vorn. Aber wenn mich ein Schuhhersteler auffordert mein Bestes zu verbessern, dann wäre ich schon allein deswegen anti. So sind die alten starssingen mit mir nicht Männer. Keine leichte Zielgruppe. Macht dieser Kommentar jetzt irgendwie Sinn? Keine Ahnung, aber Du hast ja Admin Rechte. Die Macht zu löschen!

Annereply
21. August 2013 at 8:03

Die deutsche Variante klingt grauenhaft hölzern, da gebe ich dir recht. Und sie engt die Botschaft auf das rein Sportliche ein. Spricht mich nicht an, schreckt mich eher ab.

Das liegt sicher auch dran, dass ich meine „Schneller – höher – weiter“-Haltung zum Sport abgelegt habe. Allerdings finde ich wie mein Vorschreiber das Original auch nicht völlig gelungen. Für die Verwendung im deutschen Sprachraum ist der Slogan (verglichen mit Just do it!) meiner Meinung nach sprachlich zu schwierig. Man kann ihn ja nur dann präzise übersetzen, wenn man sich von der dominanten Übersetzung des Worts „better“ löst und erkennt, dass hier nicht der Komparativ von „good“, sondern das (weniger gut englisch sprechenden Menschen evtl. sogar unbekannte) Verb „better“ = „verbessern“ gemeint ist. Obwohl ich tagtäglich mit englischen Texten zu tun habe, musste ich den Slogan mehrfach lesen, um ihn wirklich zu verstehen und nicht nur zu ahnen, dass ich „irgendwie besser sein soll“.

Wenn „better“ nun aber als Verb verwendet wird (das muss ja so sein, sonst ist der Slogan grammatikalischer Unfug), haben wir es im Englischen ja auch mit einem Imperativ zu tun. Der klingt zugegeben flotter als die sperrige deutsche Fassung. Aber ich wüsste gern, ob „native speaker“ nicht an der Version in ihrer Sprache die gleiche Kritik hätten wie du an der deutschen Version.

Wie auch immer: Imperative in der Werbung sind auch mir zu platt, egal in welcher Sprache. Werbung ist für mich „gut gemacht“, wenn sie einen Handlungsimpuls durch Bilder oder Symbole erzeugt. Weniger abgehoben formuliert: Wenn ich Lust darauf bekomme, Dinge zu tun oder zu kaufen, weil mich ein Bild oder ein Spot emotional anspricht und „mitreißt“. Wenn dann sprachlich ein Imperativ „drübergelegt“ wird, stößt der Werber sozusagen mit dem A### um, was er vorher mühevoll mit den Händen aufgebaut hat!

VG,
Anne

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